Ex situ-Zuchtprogramm

Seit Jahrzehnten werden Luchse in zoologischen Einrichtungen gezüchtet, was zu einer eigenständigen und genetisch vielfältigen Zoopopulation (ex situ) in ganz Europa geführt hat. Luchse, die in Zoos unter besonderen Bedingungen aufgezogen werden, können in Wiederansiedlungs- und Verstärkungsprojekten erfolgreich ausgewildert werden.

© Tierpark Bern

Die «European Association of Zoos and Aquaria» (EAZA) leitet das Ex situ-Zuchtprogramm (EEP) für den Karpatenluchs. Die EAZA und der Deutsche Wildgehege Verband (DWV) kooperieren im Rahmen der Linking Lynx Sourcing Working Group, um Wiederansiedlungs- und Verstärkungsprojekte mit geeigneten, in Zoos geborenen Luchsen zu versorgen. Bei Wiederansiedlungen werden ausschliesslich Luchse verwendet, die genetisch als reine Karpatenluchse bestätigt wurden. Die Arbeitsgruppe «Beschaffung» vereint Expertinnen und Experten für alle drei Quellen von Wiederansiedlungen: Ex situ gezüchtete Luchse, Waisenluchse und in Freiheit gefangene Luchse. Die Arbeitsgruppe behandelt die folgenden praktischen Aspekte der Beschaffung von in Zoos geborenen Luchsen für Auswilderungen:

1. Zuchtgehege

Zoologische Einrichtungen, in denen Luchse für die Wiederansiedlung gezüchtet werden, müssen über grosse, reichhaltig und natürlich strukturierte Gehege verfügen, in denen der Kontakt mit Menschen (sowohl mit den Tierpflegenden als auch mit der Öffentlichkeit) begrenzt ist. Nur Gehege, die alle vordefinierten Anforderungen erfüllen, sind für die Zucht von Luchsen zur Auswilderung geeignet.

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2. Umgang mit Luchsen 

Neben dem Gehege haben auch die Haltung und der Umgang mit den Tieren einen Einfluss auf das Verhalten der Luchse. Um zu verhindern, dass sich die Luchse an den Menschen gewöhnen oder auf ihn geprägt werden, müssen alle Personen, die mit den Tieren arbeiten, detaillierte Protokolle für den Umgang mit Luchsen, die für Auswilderungsprojekte gezüchtet werden, befolgen. Daher wurden Haltungsrichtlinien entwickelt, in denen die Regeln für eine angemessene Fütterung und einen minimalen Kontakt mit den Tieren festgelegt sind. Alle Zoos und Wildparks, die Luchse für die Projekte zur Verfügung stellen wollen, müssen Verhaltensbeobachtungstests durchführen, um sicherzustellen, dass die Nachkommen für die Wiederauswilderung geeignet sind.

3. Koordinationsgehege

Aus den Zuchtgehegen in den zoologischen Einrichtungen werden die für die Auswilderung vorgesehenen Nachkommen in grosse natürliche Gehege ohne Zugang der Öffentlichkeit (so genannte Koordinationsgehege) gebracht, wenn sie zwischen 8 und 11 Monate alt sind. Die Luchse bleiben 3–5 Monate in den Koordinationsgehegen, möglicherweise auch länger, je nach der endgültigen Auswilderungssstrategie, damit sie sich «auswildern» können. Jedes Koordinationsgehege besteht aus mehreren Abteilungen, wobei in der Regel eine Abteilung für potenzielle Waisen oder alte überzählige Tiere aus dem EEP frei bleibt. Vor der Auswilderung werden die Luchse einer weiteren Verhaltensbeurteilung und einem Gesundheitscheck unterzogen.

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4. «Lynx Distribution Platform»

Unter der Leitung des EEP-Koordinators (EAZA-Ex situ-Programm) und des Luchskoordinators im DWV werden Luchse in zoologischen Einrichtungen in ganz Europa gezüchtet. Um die Nachfrage nach Luchsen aus Wiederansiedlungs- und Aufstockungsprojekten mit dem Angebot an Luchsen aus dem Ex situ-Zuchtprogramm und den Wildquellen zu koordinieren, wurde eine «lynx distribution platform» eingerichtet. Welche Luchse für die Auswilderung geeignet sind und welchem In situ-Projekt sie zugewiesen werden, wird in der Arbeitsgruppe diskutiert und festgelegt. 

 

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