Auswilderung Update

Luchs soll für Gesundheitscheck gefangen werden

Luchsweibchen Alva mit Leukämievirus (FeLV) infiziert

© Archiv Naturschutz LfULG, C. Blum-Rérat© Archiv Naturschutz LfULG, C. Blum-Rérat

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Medienmitteilung Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Sachsen, 28.11.2024:

Das im Frühjahr 2024 im sächsischen Westerzgebirge ausgewilderte Luchsweibchen Alva soll noch vor der Paarungszeit 2025 gefangen und einem Gesundheitscheck unterzogen werden. Sie ist mit dem Felinen Leukämievirus (FeLV) infiziert. Wie das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) heute in Dresden mitteilte, soll mit dem Gesundheitscheck abgeklärt werden, welchen Infektionsstatus Alva hat. Dazu werden zwei unterschiedliche Testverfahren verwendet. Zuerst werden Blutproben für einen Schnelltest auf FeLV entnommen, zusätzlich werden Blutproben für eine Eil-Analyse ins Labor gegeben.

Das aus der Schweizer Jura Population stammende Luchsweibchen Alva hatte alle vorgeschriebenen Gesundheitstests, zu denen auch drei Tests auf FeLV gehören, erfolgreich absolviert, bevor es am 28. März 2024 in Sachsen ausgewildert wurde. Einen Monat später erhielt das Projektteam RELynx Sachsen vom Schweizer Institut für Fisch- und Wildtiergesundheit (FIWI) die Nachricht, dass bei Alva bei einer für wissenschaftliche Zwecke nachträglich durchgeführten Blutuntersuchung im Labor eine Infektion mit FeLV festgestellt wurde. Die Infektion erfolgte wahrscheinlich kurz vor dem Fang.

Zur Einordnung: Bei FeLV handelt es sich um eine Virusinfektion, die nur für Katzenartige infektiös ist. Übertragen werden kann das Virus nur durch direkten Kontakt zu einem infizierten Tier, zum Beispiel durch Bisse, gegenseitiges Putzen oder bei der Paarung. Zudem kann die Infektion einen unterschiedlichen Verlauf nehmen. Man spricht von abortiven, regressiven und progressiven Verlaufsformen. Bei einem abortiven Verlauf wurde das Virus durch das Immunsystem erfolgreich bekämpft. Handelt es sich um einen regressiven Verlauf, ist der Luchs lebenslang infiziert, scheidet aber kein Virus aus und ist nicht ansteckend für andere Katzenartige. Bei einem progressiven Verlauf vermehrt sich das Virus aktiv im Blut und wird kontinuierlich ausgeschieden. Andere Katzen können bei einem direkten Kontakt angesteckt werden. Hier spricht man von einer dauerhaften Virämie, die das Immunsystem schwächt. Bei dieser Verlaufsform entwickeln die Katzen vielfältige Krankheitssymptome wie beispielsweise Tumore und Folgeinfektionen, an denen sie in der Regel innerhalb weniger Monate bis Jahre verenden.

Zeigen die Testergebnisse, dass Alva nicht ansteckend ist, könnte das Tier, wie aktuell beantragt, wieder freigelassen werden. Sie ist eine geschlechtsreife, erfahrene Mutter, die entscheidend zur Reproduktion und damit der Gründung einer Trittsteinpopulation in Sachsen beitragen kann. Gerade in der Anfangsphase eines Auswilderungsprojektes ist Nachwuchs besonders wichtig: einerseits um die Population zu stabilisieren, andererseits um die genetische Vielfalt zu erhöhen. Bei einem progressiven Verlauf ist Alva für die anderen Luchse ansteckend und müsste noch vor Ort durch einen Veterinärmediziner euthanasiert werden. Die Luchsexpertinnen und -experten in Deutschland, Tschechien und der Schweiz teilen mehrheitlich die Auffassung, Alva bei diesem Infektionsverlauf aus der Population zu entnehmen.

Die notwendigen Ausnahmegenehmigungen gemäß Jagdrecht und Naturschutzrecht hat das LfULG bei den zuständigen Behörden in Sachsen beantragt. Ob die Genehmigungen erteilt werden, ist derzeit noch offen.

Hintergrund:

Das Projekt »RELynx Sachsen« ist ein bedeutendes Artenschutzprojekt des Freistaates Sachsen und ordnet sich in die bundesweite Strategie zur Stabilisierung der deutschen Luchsvorkommen ein. Ziel ist es, bis Ende 2027 bis zu 20 Karpatenluchse (Lynx lynx carpathicus) im Erz- und Elbsandsteingebirge auszuwildern. Durch die Wiederansiedlung in Sachsen wird ein neuer Trittstein begründet. Über mehrere benachbarte Teilpopulationen des Luchses soll eine Vernetzung ermöglicht werden. Mittelfristig soll damit das sächsische Vorkommen als Bindeglied zwischen den natürlichen Beständen in den Karpaten und den bislang isolierten Vorkommen im Böhmerwald, in Nordostbayern und im Harz fungieren.

Das »RELynx Sachsen«-Projekt ist als Wiederansiedlungsprojekt Teil des internationalen Linking Lynx Expertinnen- und Experten-Netzwerkes. Dieses befasst sich mit der Erhaltung, dem Monitoring und dem Management des Karpatenluchses. Linking Lynx entwickelt Protokolle und Richtlinien für die Verwendung von Gehegetieren für Wiederansiedlungs- und Bestandesstützungsprojekte.

Federführend ist das Projekt »RELynx Sachsen« im Auftrag des Sächsischen Umweltministeriums beim Landesumweltamt Sachsen (LfULG) angesiedelt. Über eine öffentliche Ausschreibung hat das LfULG die Projektkoordinierung an die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung vergeben. Am zugehörigen Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz besteht eine lange Tradition in der Säugetierforschung, die Wissenschaftler können auf Spezialkenntnisse bei der Untersuchung von Großraubtieren und ihren Beutetieren zurückgreifen. Für das Monitoring steht dem LfULG die Professur für Forstzoologie der Technischen Universität Dresden zur Seite. Diese führt im Auftrag des Freistaates Sachsen bereits seit dem Jahr 2008 eine koordinierte Beobachtung der größten Katze Mitteleuropas durch, um genaue Informationen zu Vorkommen, Verbreitung und Arealnutzung der sächsischen Luchse zu erhalten.

Seit Anfang November unterstützt der Landschaftspflegeverband »Oberes Vogtland« das Projekt »RELynx Sachsen«. Die zum Verband gehörende Naturschutzstation Riedelhof Eubabrunn ist nun auch »Regionale Informationsstelle Luchs«. Der Riedelhof ist eine zentrale Anlaufstelle für den Natur- und Artenschutz im Vogtland. Aus Projektmitteln für »RELynx Sachsen« ist ein Mitarbeiter für die regionale Öffentlichkeitsarbeit für das sächsische Artenschutzprojekt eingestellt worden.

Obwohl Übergriffe auf Nutztiere nur selten vorkommen, können Luchse Schafe, Ziegen und in Gehegen gehaltenes Wild töten. Die Fachstelle Wolf des LfULG übernimmt die Rissbegutachtung und liefert damit die Grundlage für einen möglichen Schadensausgleich durch die Landesdirektion Sachsen. Zudem werden die Nutztierhalter bei der Prävention unterstützt.

Die Finanzierung des Projektes »RELynx Sachsen« erfolgt über Haushaltsmittel des Freistaates Sachsen.

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